Tagebuch



Gabi & Jürgen on Tour ...

"Pele comes to visit"

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Gabi mit Garry in seinem „neuen Haus“ am Ende der „Chain of Craters Road“, Big Island, HI

Was für ein Tag - und er ist noch nicht zu Ende. Wach war ich seit 04:00 Uhr schon. Aber wir wollten ja erst um 05:10 Uhr zum Krater losfahren, um ihn endlich „glühen“ zu sehen. Pünklich kommen wir weg - bei der kurzen Anfahrt zeigen sich aber bereits wieder die gefürchteten Nebelschwaden. Am Krater angekommen, erfahren wir von den wenigen Besuchern, dass der Nebel gerade erst reingezogen ist - sie haben vor 30 Minuten annehmbare Bilder geschossen. Mist - zu spät. Die Sonne geht auf und damit verschwindet auch das letzte anzunehmende rötliche Schimmern. Also: nächste Nacht noch mal.

Es ist noch nicht ganz hell, da sind wir schon an der Thurston Lava Tube - hier sind wir ganz alleine. Das gibt Zeit, etwas zu experimentieren mit der Kamera - gleichzeitig schauen wir uns aber auch ausführlich um. Hier stehen die größten Baumfarne der nördlichen Erdhalbkugel. Wir sind sprachlos - ist ja auch noch früh. Die „Tube“ ist eine 500 Jahre alte Lavaröhre - ein recht langer Tunnel, durch den die Lava damals hindurchgeflossen ist. Auch beeindruckend!

Gegen halb Acht skypen wir kurz mit Vater und Mutter sowie Georg. Alles ok zu Hause. Gut! Dann gibt es Frühstück. Robert übertrifft die Vorstellung von gestern. Es gibt zum Ost und den Pancakes (mit zig Sirupsorten und Marmeladen) auch Toast, Würstchen und Spiegeleier. Mit uns am Tisch: ein junges, amerikanisches Paar und eine Kleinfamilie aus Polen, die in Krakau ein pazifisches Restaurant (inkl. Tanz- und Musikdarbietungen) betreiben und auf Einkaufs- und Entdeckungsreise für neue authentische Hawaii-Gerichte sind. Sachen gibts …

Es ist gegen 09:00 Uhr, als wir Richtung Hilo rollen. 45 Minuten dauert die Fahrt. Dort angekommen, schlendern wir erst mal ganz gemütlich durch die Liliuokalani Gardens, einen japanisch angelegten Garten mit unbeschreiblichen Bäumen, Wasserläufen, Pagoden, orientalischen Brücken, einem Teehaus, etc. Von hier wechseln wir auf das winzig kleine Coconut Island hinüber. Hilo ist in den 40er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts von einigen schweren Tsunamis verwüstet worden - daran wird immer wieder erinnert. Die Gegend: sehr ruhig und schön.

Knapp 1,5 Meilen weiter in den Ort hinein stellen wir das Auto nochmals ab - alles ganz easy, überall kostenfreies Parken - wie fast überall hier auf den Inseln. Wir gehen die Kamehamehu Ave. ein Stück zurück und schauen uns den Farmers Market an, einen Bauernmarkt, wo alles vom Erzeuger vermarktet wird, was gekauft wird. Eine Bäuerin bietet uns Rambutan zum probieren an. Da sagen wir nicht nein und kaufen ihr dann ein Pfund für 2 Dollar ab. Größer als Litschies, aber geschmacklich sehr ähnlich. Gabi ersteht noch ein neues, sehr buntes Tuch, während außerhalb der Zeltplanen einer dieser 5-Minuten Sturzbachregenfälle runterkommt. Respekt!!

Etwas außerhalb von Hilo erreichen wir die Rainbow Falls und ich fotografiere wieder mit Stativ und Graufilter. Nebenan stehen wieder Banyan-Trees der Sorte, die uns heute Morgen in Hilo schon umgehauen hat. Selten habe ich so imposante Bäume gesehen - da kommen nur die Sequoias in Kalifornien mit. Ich werde einiges mal wieder bei den Fotos zeigen.

Nur wenige Meilen weiter: die Pe’e’pee Falls - weitere Wasserfälle mit weniger Publikumsbetrieb; der Aussichtspunkt ist in einer sehr grünen Parkanlage gelegen. Die Sonne brennt und ich fürchte, zu verbrennen. Raus aus der Sonne! Gabi spendiert eine Orange und einen Müsliriegel - die Trauben und Nektarinen sind gestern von uns verputz worden.

Über Pahoa erreichen wir 50 Minuten später die Ostküste und zwar dort, wo die „Chain of Craters Road“ (von gestern, ihr erinnert euch?) auf der anderen Seite (nördlich) von der Lava abgeschnitten wurde. Hier ist überhaupt kein touristischer Betrieb - die Seite hier ist schwerer zu erreichen und die meisten haben hierfür keine Zeit. Dafür kann man hier am Ende des Asphalts auf Gravel (Schotter) noch ein Stückchen weiter fahren, immer zwischen dem Lavaflow hindurch - gestern mussten wir viel Laufen.

Irgendwann dann aber ein Schild, das allen „unauthorised Persons“ das Weiterfahren verbietet. Wir stellen den Wagen ab, gehen aber doch noch ein Stückchen zu Fuß weiter. Da kommt von hinten ein Pickup; der Fahrer vom Typ „Aussteiger“ hält und spricht uns an. Ich vermute schon, dass weitergehen hier auch nicht erlaubt ist - weit gefehlt. Er grüßt lässig und fragt, warum wir nicht fahren? Das Schild! Ach das? Kümmert euch nicht drum - fahrt einfach weiter, ich wohne auch hier (wohnen??). Eine gute halbe Meile weiter ist Ende - da geht aber links noch ein Weg rein. Wenn ihr Lust habt, besucht mal den Typen, dem die Lava hier vor 5 Jahren das Haus abgebrannt hat - er ist sowas wie ein Lavaexperte, zeigt euch bestimmt gerne ein paar Fotos! Echt? Ja klar - macht das!!

Wir gucken uns an - drehen um, holen das Auto und fahren hin. Tatsächlich: da führt am Ende so ein roter Ascheweg über Stock und Stein mitten in das Lavafeld hinein. Und einige Kuppen weiter (wenn das hier unsere Autoversicherung sieht, sind wir dran) taucht ein kleines Holzhaus auf. Etwas abseits - Mitten in der Lava - werkelt ein Mann mit Sonnenhut an einer kleinen Palme rum - in der gleißenden Sonne. Wir halten, machen lässig das Fenster runter und fragen, ob wir stören? Stören, wobei? Naja, bei seiner Arbeit! „Hey Leute, bitte stört mich und haltet mich davon ab, hier weiter zu machen! Stellt euer Auto da hinten ab und kommt rüber!“ Gesagt getan.

Er stellt sich als Garry vor und es folgt eine dieser Stunden, die uns so verrückt auf die USA und die Menschen hier gemacht haben. Ihr müsst euch das vorstellen: schwarze Lava bis zum Horizont, wohin man guckt - nur zum Meer hin sieht man die Wellen brechen. Mittendrin ein kleines Holzhaus, ein ziemlich großer Wassertank, eine Badewanne unter freiem Himmel, ein Pickup und einige Planzen, die er gerade beackert hat.

Garry bezeichnet sich selbst als „Lava-Verrückten“ und erzählt uns, dass ihm 2010 genau hier - genauer: 300 Meter weiter da hinten - sein Haus „unter dem Hintern weg gebrannt ist. Und nun hat er sich ein neues gebaut. Alles gut! Wir fragen ungläubig nach: wie das denn war? wie lange das gedauert hat? warum er noch hier ist?

Er zeigt uns Fotos und erzählt. Selten habe ich einen authentischeren Kerl erlebt. Drei seiner Großeltern stammen aus Deutschand, eine Oma aus Österreich - wir waren also zumindest theoretisch mal „Nachbarn“ - haha!! Seine Eltern sind aber nach Wisconsin ausgewandert und ihn hat es dann nach Hawaii verschlagen. Lava und Vulkane haben ihn immer schon fasziniert. Er hat sich hier (da hinten) damals ein Haus gebaut und seitdem ist er hinter dem flüssigen Gestein her. Tolle Fotos hat er - zu der Zeit ist er immer wieder (auch nachts) aufgebrochen, um die Lavaströme zu fotografieren. Wenn sie ins Meer getropft ist, gab es zum Teil heftige Explosionen. Die eingeschlossenen Gase haben ganze Feuerwerke erzeugt. Solche Fotos haben wir auch in den Visitor Centern gesehen. Eine dieser Fontänen war über 100 Meter hoch - super Bild! Die „Lavabombs“, die dabei entstehen (Handball- bis Melonengroße Gesteinsbrocken) fliegen durch die Luft und schlagen überall ein. Kleineres Material prasselt darauf, sinkt ein und wird eingeschlossen. Beispiele hat er zur Anschauung parat.

Den Unterschied zwischen Aa-Lava und Pahoehoe-Lava kennen wir schon: Aa ist die messerscharfe, bröckelige Lava, an der man sich heute auch noch im erkalteten Zustand die Knochen aufreißen kann - wir haben gestern diese Sorte nur ein Mal betreten. Pahoehoe ist die sanft fließende, honigartige Lava, die eher tropft und zähflüssig ist. Sie sieht auch heute erkaltet noch viel schöner aus. Garry kann das noch weiter ausführen: Pahoehoe ist gut 1.200 Grad heiß, Aa nur 900 Grad. Und Aa „fließt“ nicht, sondern rollt vorwärts, „als wenn sie jemand mit einem Bulldozer schieben würde“. Dabei hat sie eine Struktur ähnlich von Holzkohle, nur viel schärfer und größer - glühende Gesteinsbrocken eben. Pahoehoe leuchtet nachts rot-orange-gelb; die etwas kälteren Stellen sind grau-schwarz. Bei Tageslicht sieht sie nur noch schwarz oder silbrig aus und man wundert sich, wenn es „unten herum“ wärmer wird und nebenan eine zähe Masse plötzlich gemächlich in Bewegung gerät. Oft sei es auch so, dass die vorderen Bereiche langsam erkalten und ganz zäh werden, von hinten schiebt das flüssigere Material dann alles zu Wülsten empor. Könnt ihr gut auf den Bildern von gestern sehen!

Beeindruckende Zahlen hat er auch parat: Der Kilauea (der ja derzeit noch aktiv ist) hat in den letzten 32 Jahren (im Januar werden es 33) täglich (!) über 400.000 Kubikmeter Lava produziert und über Lavafelder auf die Insel und ins Meer gepumpt. Viel oder? Der Mauna Loa (das ist der ganz große Vulkan hoch über uns) hat allein bei einem Ausbruch 1984 in 25 Tagen (!) die 400-fache Menge ausgespuckt und den Berg hinab fließen lassen (er zeigt uns das auf der Karte, die wir auch haben).

2010 war die Welt für Garry noch in Ordnung. Er frönte seinem Hobby, den Lavafeldern des Kilauea nachzuspüren und Fotos zu machen. Irgendwann wurde ihm dann klar, dass ein großer Lavaflow seine Richtung geändert hat und genau auf sein Haus zu steuerte. Ungefähr einen Monat vorher habe er gewusst, dass es ihn treffen wird. Er hat noch alles wertvolle (Waschmaschine, Gefrierschrank, Fernseher etc.) in Sicherheit gebracht. Dann hat er weiter fotografiert und gefilmt. Und eines Nachts gegen 3 Uhr war es dann so weit: das Haus brennt lichterloh. Die Bilder sind echt spooky! Was er gemacht habe? Fotos - und mit seiner Nachbarin eine Flasche Sekt getrunken. Nach einer Stunde war alles vorbei. Nur das Aluminiumdach sei übrig geblieben. Nach einigen Tagen habe die Lava (Pahoehoe übrigens) sich aber auch darüber aufgefaltet und es verschwinden lassen. Einen kleinen Rest könnt ihr da hinten noch sehen!

Es hat nur zwei Jahre gedauert, dann haben sich die ersten Farne schon wieder ihren Raum verschafft. Und da sei ihm klar gewesen, dass er sich ein neues Haus baut - das hier! Es hat nur einen Raum mit Küche, Bett und Wohnzimmer in einem. Es ist viel kleiner - wenn es ihn nochmal erwischen sollte, kann er es abbauen und in Sicherheit bringen. Die Versicherung hat nämlich die Prämien erhöht - kann man nicht mehr bezahlen. Strom: Solar! Wasser: „look, my catch-me-tank!“ (er zeigt auf den großen Wassertank). Fast ganz voll sei dieser derzeit. Das Wasser wird gechlort und vor dem Verzehr noch einmal gefiltert. Was er zum Essen benötigt, baut er fast alles selber an - er benötige nicht viel - Gartenarbeit (bei der wir ihm willkommen „gestört“ haben) sei aber täglich nötig.

Er sei mit sich im Reinen - „it’s nature!“ Er habe Pele (ihr erinnert euch: die hawaiianische Vulkangöttin) und ihr Zuhause, den Kilauea-Crater früher so oft besucht, um Fotos zu machen u.ä. Nun habe sie ihn auch einmal besucht - das sei eigentlich nett - so ein Gegenbesuch. Es zeige aber auch, wo wir Menschen stehen - es gebe halt Dinge, die man nicht aufhalten kann. Naturgewalten zum Beispiel. Dann muss man sie auch annehmen lernen.

Liebe Leute: die Geschichte von Pele ist auch wirklich sehr schön, das führt heute aber zu weit - vielleicht ein anderes mal. Oder ihr googelt das mal …

Wir sprechen mit Garry noch über andere Dinge - zum Beispiel darüber, dass ich nach unserem Empfindungen auch in Deutschland das Klima verändert. Er stellt für seinen Teil auch fest, dass derzeit hier etwas im Wandel ist: fast wöchentlich ziehen Hurrikane vorbei, die Wellen seinen im Sommer/Herbst so ungewöhnlich hoch und auch die Vulkane würden wieder aktiver: faszinierend: dieser Mix aus Zerstörung und Schöpfungskraft! Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wir fragen, ob wir etwas für ihn tun können. Bei seinem ganzen Zeug (den Fotos, den Lavabeispielen etc. - er hat uns auch noch einiges zur chemischen Zusammensetzung der Lava usw. erzählt) liegt eine selbstgebrannte DVD. Titel: „Pele comes to visit“. Ob da seine Bilder drauf seien und ob ich die kaufen könne? Ja klar, auch ein Video sei dabei von der Nacht, in der sein Haus verschwand … Müsse ich aber nicht, er habe immer gerne Besuch und teile gern sein Schicksal und seine Gedanken mit netten anderen Leuten. Ich gebe ihm 20 Dollar und bin mal gespannt, was drauf ist auf der DVD. Ist aber eigentlich gar nicht wichtig. Das ist das bestangelegte „Tipp“, das ich je gegeben habe.

Zur Verabschiedung gibt er uns noch eine gut gemeinte Warnung mit auf den Weg: keine Lava mit nach Hause zu nehmen, sonst wird Pele sauer und bringt Unglück über uns. Das habe ich vor der Reise auch schon irgendwo gelesen. Es soll sogar Leute geben, die mitgenommene Lavastücke wieder zurückgeschickt haben, um das Unglück wieder los zu werden. Also: wir lassen das Zeug hier, auch wenn’s schwer fällt.

Als wir ihn verlassen, sind wir richtig zufrieden mit dem unerwarteten Verlauf des Nachmittags. Aus erster Hand eine so spannende Story zu hören - das kriegt man nicht alle Tage. Machs gut Garry und grüße Pele von uns! Uns muss sie nicht besuchen, wir kommen lieber zu ihr!

Der Nachmittag ist fortgeschritten und wir fahren nun die Küste entlang über die #137 Richtung Nordosten. Hier gibt es noch einige schöne Strände etc., die wir aber alle rechts liegen lassen. Dafür ist die Straße an sich der Oberhammer! Eine der absoluten Traumstraßen für uns. Ziemlich ruhig und abgelegen. Achterbahn! Rechts und links stehen exotische Bäume und Farne, die oben teilweise zusammenwachsen - Baumtunnel der besonderen Art. Und dabei immer auch der Blick auf die Küste. Hier würde ich wirklich gerne nochmal fahren!

Zurück nach Volcano, unterwegs tanken, denn morgen stehen gut 300 Kilometer über die Nordspitze nach Kona auf dem Programm. In Volcano stoppen wir beim „Thai Food Truck Tuk Tuk“ - so eine rollende Garküche. Ich bestelle Red Curry with Shrimps, Gabi Pad Thai with Chicken. Dazu „fried springrolls“ (kleine Frühlingsrollen als Appetizer). Auf unserer Terrasse schlemmen wir. Köstlich! Das beste Curry, das ich in den letzten Jahren hatte. Und im Vergleich zum Thai Thai vorgestern: doppelte Menge, doppelter Geschmack, halber Preis! Super!

Nun ist das Tagebuch geschrieben - 20:45 Uhr. Die Fotos hatte ich eben schon verortet. Nun suchen wir noch ein paar für die Website aus, die ich dann kurz entwickele. Wenn dann die Homepage fertig ist, fahren wir noch einmal zum Krater. Hoffen auf nebelfreie Sicht und Pele’s Wohlwollen. Die feurige Dame tut so viel für die Insel, sie schenkt ihr täglich neues Land - bitte schenke uns einen guten Blick auf dein leuchtendes Haar! Sonst müssen wir dir morgen früh vor Sonnenaufgang nochmal aufs Dach steigen - und das willst du doch nicht wirklich, oder?

Gute Nacht ihr Lieben, reisen bildet - und die Geschichte von Pele arbeite ich auch nochmal auf; versprochen!

Nachsatz: es ist jetzt 23:20 Uhr und wir sind zurück vom Kilauea-Krater. Die Sicht war gut, Pele hat gefaucht, sich aber in vollem Glanz gezeigt - ein unbeschreibliches Erlebnis! 2 Fotos habe ich auch gleich mal zur Ansicht bereit gestellt. Her mit dem Wein, morgen früh wird ausgeschlafen.

Tagesetappe: km
Übernachtung:
Aloha Junction Bed & Breakfast, Volcano, Big Island, HI
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